Musikverein Eintracht Offenbach am Main (1898 – 1998)
Ein Jahrhundert Vereinsgeschichte
Der Musikverein Eintracht Offenbach am Main besteht aus dem Zusammenschluss von drei Musikkorporationen und zwar:
Katholischer Musikverein Viktoria, gegründet 1898
Musikverein Vorwärts Offenbach von 1898
Offenbacher Musikverein von 1899
Den Musikverein Viktoria leitete ab Juni 1898 Kapellmeister Raimund Beck. Den Ehrenvorsitz übernahm Geistlicher Rat Kaspar Schäfer. Probenlokal war die Gaststätte Schützenhof in der Herrenstraße. Bis zum Ausbruch des II. Weltkrieges verlief das Vereinsleben normal.
Den Musikverein Vorwärts Offenbach leitete ab 1898 Kapellmeister Heinrich Winter. Erster Vorsitzender war Andreas Braun. Geprobt wurde in der Gaststätte Karlshof in der Karlstraße. Bis zum Beginn des I. Weltkriegs bestand reges Vereinsleben.
Die musikalische Leitung des Offenbacher Musikvereins hatte ab April 1899 Kapellmeister Adolf Zeitel. Dieser Verein wirkte nur bis zum Kriegsende.
Bei der gemeinschaftlichen Generalversammlung des Offenbacher Musikvereins und des Musikvereins Vorwärts am 14. Juli 1919 im Stadtgarten Offenbach schlossen sich beide Vereine unter dem Namen Musikverein Offenbach am Main zusammen. Die musikalische Leitung übernahm Kapellmeister Ernst Krause. Zum 1. Vorsitzenden wurde Friedolin Traub gewählt. Geprobt wurde in der Gaststätte Starkenburg in der Marktstraße. Die Vereinstätigkeit verlief während des Zweiten Weltkriegs bis 1946 mit Einschränkungen. Letzter Kapellmeister von 1924 bis Kriegsende war Willi Bauermann.
Nach dem Krieg waren die Musikvereine in Offenbach personell sehr dezimiert und nicht mehr spielfähig. Deutschland hatte den Krieg verloren; Offenbach war von amerikanischem Militär besetzt.
Auf Initiative von Ferdinand Maul, 1. Vorsitzender des Musikvereins Offenbach am Main, und Emil Rottmann, 1. Vorsitzender des Musikvereins Viktoria, wurde mit Genehmigung der Alliierten Militärregierung am 19. April 1946 eine Versammlung mit den restlichen Mitgliedern der noch bestehenden Vereine einberufen. Dabei schlossen sich der Musikverein Viktoria und der Musikverein Offenbach am Main zusammen. Mit diesem Datum beginnt eine neue Etappe in unserer Vereinsgeschichte. Auf einer späteren Mitgliederversammlung wurde mit Mehrheitsbeschluss der Name Musikverein Eintracht Offenbach am Main gewählt.
Dem Vorstand gehörten unter anderem an:
Ferdinand Maul, 1. Vorsitzender;
Friedolin Traub, 1. Schriftführer;
Ludwig Richter, 1. Kassierer.
Den Dirigentenstab führte ab 1946 bis Oktober 1954 Heinrich Schneider, der das Orchester auf ein hohes musikalisches Niveau brachte. Leider musste er sein Amt wegen Krankheit aufgeben.
Sein Nachfolger, Kapellmeister Rudolf Lenzen, führte das Orchester bis 1957 und von Mai 1963 mit großem Erfolg. Dank seiner hervorragenden Kenntnisse und langjährigen praktischen Erfahrung im Blasmusikwesen – verbunden mit straffer Orchesterführung und sorgfältiger Einstudierung – gelang die musikalische Aufwärtsentwicklung. Unter Lenzens Dirigat errang der Verein bei Wertungsspielen des Volksmusikverbandes, u.a. in Steinau an der Straße und Nauheim, in der Oberstufe sehr gute Ergebnisse.
Da ältere Musiker ausschieden und es an Nachwuchskräften fehlte, war es schwierig, die große Orchestermusik fruchtbringend fortzusetzen.
Dem damaligen Nachwuchstalent Gerd Freymann brachte Rudolf Lenzen die ersten musikalischen Schritte als Schlagzeuger im Verein bei. Gerd Freymann war inzwischen als Musiker oder Solist bei Funk und Fernsehen oder anderen Vereinigungen verpflichtet. Als Musikredakteur gestaltet und moderiert er heute beim Hessischen Rundfunk eigene Sendungen. Er war auch oft bei den traditionellen Adventskonzerten des Musikvereins Eintracht Offenbach am Main als Moderator oder Solist am Xylophon zu hören.
Während Lenzens Pause von 1957 bis 1963 übernahm Musikkollege Adolf Hartmann die musikalische Leitung. Er strebte mühevoll danach, den Klangkörper zu erhalten, um immer noch gute Konzerte geben zu können.
Daneben war Eduard Becker zeitweise 1963 als Gastdirigent eingesetzt.
Mit dem Ausscheiden von Rudolf Lenzen 1969 verlor im Verein die Form der Blas- und Harmoniemusik der zurückliegenden Zeit mehr und mehr an Bedeutung. Fantasie- und Charakterstücke, erweiterte Liedformen, Suiten, Serenaden, Rhapsodien, Variationen, Ouvertüren, Potpourris, Hymnen, Melodramen, neue und alte Tänze, Ausschnitte aus Oper und Operette wurden durch andere Musikformen ersetzt.
Im Anschluss daran leitete ab 1969 Jan Derix das Blasorchester.
Ihm ist es mit viel Geschick und großem Idealismus gelungen, das Orchester auf moderne Blasmusik einzustellen. Durch sein großes musikalisches Wissen und sein hervorragendes Können auf vielen Instrumenten war er in der Lage – der sich veränderten Zeit entsprechend – neben alten Musikstücken, aktuelle deutsche, englische, französische und holländische Musikstücke einzustudieren und erfolgreich aufzuführen. Jan Derix übernahm 1981 zusätzlich die Ausbildung des Musiknachwuchses wobei ihm Karl Heinz Herzing und Hermann Jörg assistierten. Daraus wurde ein Jugendorchester aufgebaut mit dem Ziel der Übernahme in das große Orchester.
Von Februar bis Juli 1983 übernahm der Musikkollege Karl Bauer mit Geschick und musikalisch gekönnt den Dirigentenstab.
Im August 1983 konnte Jürgen Hotz als Kapellmeister für das Orchester verpflichtet werden. Durch ihn und durch die hilfreiche Unterstützung Hermann Jörgs wurde die Ausbildung des Jugendorchesters gefördert und selbst in den Herbstferien, in lockerer Atmospäre in Jugendherbergen geübt und geprobt.
Unter fachkundiger Leitung von Jürgen Hotz wurden wieder gute musikalische Auftritte im Advent, auf der ersten Konzerttournee in Moraira/Spanien sowie bei verschiedenen anderen Veranstaltungen durchgeführt.
Herr Hotz leitete den Musikverein von 1983 bis 1990 mit dreijähriger Unterbrechung. Durch sein hohes musikalisches Können wurde das Niveau des Blasorchesters entscheidend verbessert.
In den Zwischenzeiten waren als Dirigenten eingesetzt:
Franz Reis 1987 und Hans Trumm 1988/89.
Während dieser Zeit übernahm Karlheinz Herzing die musikalische Jungendbetreuung.
Von September 1990 bis Juni 1994 hatte Norbert Emmerich die musikalische Leitung des Vereins. Mit ihm wurde das Blasorchester zu einem modernen zeitgenössischen Sound geführt. Neben vielen erfolgreichen Auftritten sind auch noch zwei Spanientourneen hervorzuheben. Er verstand es, stets den wichtigen Kontakt zwischen dem Publikum und der Musik humorvoll zu erhalten.
Von Juli 1994 bis Sommer 1995 war Ehrenmitglied Conny Jackel musikalischer Leiter des Vereins. Er hatte bis zu seinem „Ruhestand“ der hr-Bigband als Solotrompeter angehört. Noch heute erfreut er das Publikum unseres Vereins mit besonders schönen Klängen auf seiner Trompete. Ihm ist es gelungen, die Rhythmik des Jazz in die Musikpflege des Vereins einzubringen.
Ab Juni 1995 ist der Mexikaner Don Ignacio Olivarec als Dirigent verpflichtet.
Er versteht es dank seiner Ausbildung, den guten Klangkörper zu erhalten und durch intensives Proben das Klangbild zu verfeinern.
Seine erfolgreiche Arbeit war bei den öffentlichen Auftritten und auch bei Konzerten zum Advent sowie den Konzertreisen nach Leukerbad/Schweiz 1996 und Revo/Südtirol 1997 besonders zu erkennen. Die Ausbildung der Musikjugend wird auch unter Olivarec gezielt fortgesetzt.
Die Gestaltung und Mitwirkung an vielen Volks- unt Promenadenkonzerten, Vereinsjubiläen, Festen, Prozessionen, Umzügen, Musik in Kirchen oder bei Parteien, Krankenhäusern, Altenheimen, Wohltätigkeitsveranstaltungen, Vereinsausflügen, Auftritte bei Familienfeiern, bewirken, dass der Musikverein nicht nur in Offenbach, sondern auch über die Grenzen hinaus bekannt, beliebt und anerkannt ist. Dieser breite Wirkungskreis zeigt, dass der Verein ihm gestellte Aufgabe der Pflege, der Förderung und Erhaltung des wertvollen Kurlturgutes der Volksmusik erfüllt. Die Mitwirkung einzelner Vereinsmitglieder in anderen Musikformationen war immer vielfältig.
Der Musikverein Eintracht Offenbach am Main gehört zu den Mitgründern des Volksmusikverbandes Rheim-Main im Bund Deutscher Blasmusik. Er nahm während dieser Mitgliedschaft an einigen Wertungsspielen erfolgreich teil.
Hat sich der Chronist in dem bisher Dargestellen bemüht, die musikalischen Meilensteine auf dem hundertjahre lange Weg der Vereinsgeschichte aufzuzeigen, so mag es ihm an der einen oder anderen Stelle nur unvollkommen gelungen sein, weil die Archivalien dazu eher bescheiden sind. Neben Fotografien, Briefen und Postkarten sind es aber besonders die Erinnerungen von Zeitzeugen, die belegen, dass den Mitgliedern das gesellige Vereinsleben immer wichtig war.
Neben dem Musizieren wird das gesellige Vereinsleben bis heute gepflegt. Vereinsfeiern und -ausflüge haben den inneren Kontakt der Mitglieder vertieft. Ausflüge führten in den Anfangsjahren des Vereins zu Fuß oder per Bahn in den Umkreis Offenbachs oder in den Bereich von Odenwald, Oberhessen, Spessart, Taunus oder Unterfranken. Nach 1946 fuhr der Verein ebenfalls mit Sonderzügen oder Bussen in diese Gegenden und musizierte auch beim Musikverein in Müsen/Nordrhein Westfalen. Ein Gegenbesuch mit einem Konzertauftritt erfolgte zum 75-jährigen Bestehen des Musikvereins Eintracht Offenbach im Jahre 1973. Im Mai 1978 führte ein Musikausflug in die Heimat unseres damaligen Dirigenten Jan Derix nach Holland. Die Auftritte erfreuten Gastgeber und Touristen gleichermaßen.
Jeweils zu Ostern in den Jahren 1990, 1992 und 1994 wurde der Verein auf Initiative des Musikkollegen Klaus Koper vom Deutschen Club Costa Blanca nach Moraira/Spanien eingeladen. Diese sehr gelungenen Konzertreisen sowie das umfangreiche Programm sind wesentlich dem Organisationsgeschick des damaligen Ersten Vereinsvorsitzenden Kurt Zimmer zu verdanken.
Die nächste Auslandstournee 1996, gut organisiert von Georg Zahn, führte mit vielen konzertanten und sehenswürdigen Höhepunkten nach Leukerbad in der Schweiz.
Auf Anregung von Rainer Roth wurde 1997 eine Reise nach Revo/Südtirol zum dortigen Musikverein unternommen. Beide Vereine hatten beim Musizieren, gemeinsamen Ausflügen und geselligem Zusammensein viel Freude. Der Musikverein aus Revo hat seinen Gegenbesuch zum 100-jährigen Bestehen des Musikvereins Eintracht Offenbach am Main angekündigt.
Hundert Jahre Musikverein Eintracht Offenbach am Main bleiben für die Mitglieder weiterhin verpflichtend, die interessierte Jugend für das moderne Blasorchester zu gewinnen.
Beethovens Ausspruch:
„Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie“
soll für die weitere Zeit unser Leitgedanke sein.
Gustav Freymann